Wie viele Gebote gibt es im Judentum?

Tefillin und Tallit: Ein Leitfaden zu jüdischen Gebetsriten

14/07/2025

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In der reichen und facettenreichen Welt des judentums spielen bestimmte rituelle Gegenstände eine zentrale Rolle im täglichen Leben und im Gebet. Sie sind nicht nur Symbole, sondern auch physische Verbindungen zu den Geboten und zur Geschichte Gottes mit seinem Volk. Zwei der prominentesten dieser Gegenstände sind die Tefillin, oft als Gebetsriemen oder Gebetskapseln bezeichnet, und der Tallit, der Gebetsschal. Obwohl beide untrennbar mit dem jüdischen Gebet verbunden sind, dienen sie unterschiedlichen Zwecken und werden zu unterschiedlichen Zeiten getragen. Das Verständnis dieser Unterschiede ist entscheidend, um die Tiefe und die Nuancen der jüdischen Frömmigkeit zu erfassen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Gebetsriemen und einer Tefillin?
Die Gebetsriemen bzw. –kapseln werden nur an Werktagen „gelegt“, nicht am Sabbat und an Festtagen, weil diese schon durch sich selbst an die Heilstaten Gottes erinnern, wofür die Tefillin sonst ein „Zeichen“ sind. Die richtige Form des Tallit ist ein großes Tuch (Tallit gadol), das fast den ganzen Körper umhüllt.

Dieser Artikel wird die einzigartigen Eigenschaften jedes dieser Gegenstände beleuchten, ihre Bedeutung erklären und insbesondere auf den grundlegenden Unterschied eingehen, wann und warum sie verwendet werden. Wir werden uns der Frage widmen, warum die einen an Werktagen und die anderen auch an Feiertagen ihren Platz finden, und welche tiefere spirituelle Botschaft dahintersteckt.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Tefillin und ihre Bedeutung?

Die Tefillin, auch bekannt als Gebetsriemen, sind ein Paar schwarzer Lederkapseln, die Lederriemen enthalten und von gläubigen Juden während des Morgengebets an Wochentagen getragen werden. Es gibt zwei Hauptteile der Tefillin: eine Kapsel für den Kopf (Shel Rosh) und eine für den Arm (Shel Yad). Jede dieser Kapseln enthält handgeschriebene Pergamentrollen mit vier biblischen Abschnitten aus der Tora, die die Einheit Gottes, den Auszug aus Ägypten und die Wichtigkeit der Erfüllung der göttlichen Gebote betonen. Diese Abschnitte sind: Deuteronomium 6:4-9 (Schma Jisrael), Deuteronomium 11:13-21, Exodus 13:1-10 und Exodus 13:11-16.

Die Anweisung zum Tragen der Tefillin findet sich mehrfach in der Tora, beispielsweise in Deuteronomium 6:8: „Du sollst sie als Zeichen auf deine Hand binden und sie sollen dir zum Stirnschmuck zwischen deinen Augen sein.“ Dies wird traditionell als wörtliche Aufforderung verstanden, diese Kapseln zu tragen. Der Zweck ist es, den Träger ständig an Gottes Gebote zu erinnern und eine direkte Verbindung zwischen dem Verstand (Kopf-Tefillin) und dem Herzen und der Tatkraft (Arm-Tefillin) herzustellen. Die Kapsel auf dem Arm wird auf den Bizeps gelegt, gegenüber dem Herzen, und der Riemen wird siebenmal um den Unterarm gewickelt und dann um die Hand und die Finger geformt, symbolisierend, dass Gedanken und Handlungen dem Willen Gottes untergeordnet sind.

Die Tefillin sind ein Zeugnis der Hingabe und des Bundes mit Gott. Sie dienen als ständige Erinnerung an die Verpflichtung, Gottes Gebote zu erfüllen und seine Einheit zu bekennen. Das Anlegen der Tefillin ist ein feierlicher Akt, der mit spezifischen Segenssprüchen und einer tiefen Konzentration auf die spirituelle Bedeutung verbunden ist.

Der Tallit: Ein Tuch der Gebote

Der Tallit, oder Gebetsschal, ist ein viereckiges Tuch, traditionell aus Wolle, Leinen oder Seide, das von jüdischen Männern (und in manchen progressiven Kreisen auch von Frauen) während des Morgengebets und bei anderen rituellen Anlässen getragen wird. Die wichtigste Eigenschaft des Tallit sind die Zizit (Schaufäden), die an seinen vier Ecken befestigt sind. Die Anweisung für die Zizit findet sich in Numeri 15:37-41: „Spreche zu den Kindern Israel und sage ihnen, sie sollen sich Schaufäden machen an den Ecken ihrer Kleider, auf ihren Geschlechtern, und sollen an den Faden der Ecke einen Faden von blauem Purpur tun. Und das soll euch ein Schaufaden sein, damit ihr ihn anseht und aller Gebote des Ewigen gedenkt und sie tut und nicht euren Herzen und euren Augen nachwandelt, denen ihr nachhurt. Damit ihr gedenkt und tut alle meine Gebote und heilig seid eurem Gott.“

Das hier erwähnte „große Tuch“ (Tallit gadol) ist so konzipiert, dass es den größten Teil des Körpers umhüllt, wodurch der Träger vollständig von den Geboten Gottes umgeben zu sein scheint. Der Tallit dient als visuelle und taktile Erinnerung an die 613 Mitzwot (Gebote) der Tora. Jedes Mal, wenn der Träger die Zizit sieht oder berührt, soll er an seine Verpflichtungen gegenüber Gott erinnert werden. Der Tallit wird über den Kopf gezogen oder um die Schultern gelegt, besonders während des Gebets, um eine Atmosphäre der Konzentration und Ehrfurcht zu schaffen.

Der entscheidende Unterschied: Wann sie getragen werden

Der Hauptunterschied zwischen Tefillin und Tallit liegt im Zeitpunkt ihres Tragens, und dieser Unterschied ist von tiefgreifender theologischer Bedeutung. Die uns vorliegende Information besagt es klar: Tefillin werden nur an Werktagen „gelegt“, nicht am Sabbat und an Festtagen. Der Grund dafür ist, dass der Sabbat und die Festtage bereits durch sich selbst an die Heilstaten Gottes erinnern. Sie sind von Natur aus „Zeichen“ des Bundes zwischen Gott und Israel, der Schöpfung und der Erlösung. Daher benötigen sie kein zusätzliches physisches „Zeichen“ wie die Tefillin.

Am Sabbat und an Festtagen ist das Gebot, sich an Gott zu erinnern und seinen Bund zu ehren, in der Heiligkeit des Tages selbst verankert. Das Ruhen von der Arbeit, die besonderen Gebete, die festlichen Mahlzeiten und das Studium der Tora an diesen Tagen sind die primären „Zeichen“. Das Tragen von Tefillin würde die Heiligkeit des Tages mindern, indem es ein „Zeichen“ zu einem bereits bestehenden „Zeichen“ hinzufügt – es wäre überflüssig und würde die besondere Natur des Tages nicht würdigen.

Der Tallit hingegen wird am Sabbat und an Festtagen getragen. Da der Tallit und seine Zizit lediglich als Erinnerung an die Mitzwot dienen – eine Erinnerung, die an jedem Tag relevant ist, unabhängig von seiner Heiligkeit – gibt es keinen Konflikt. Die Funktion des Tallit ist es, den Träger an die Gebote zu erinnern, was auch an heiligen Tagen notwendig ist, da diese Tage zwar an Gottes Taten erinnern, aber nicht zwangsläufig an die spezifischen 613 Gebote in der gleichen Weise wie die Zizit.

Diese Unterscheidung unterstreicht die Idee, dass der Sabbat und die Feiertage eine inhärente Heiligkeit besitzen, die keine externen Symbole der Verpflichtung erfordert, während die Werktage die ständige, aktive Erinnerung und das Engagement durch das Tragen der Tefillin benötigen. Es ist ein Ausdruck der Wertschätzung für die besondere Natur der heiligen Tage.

Vergleichstabelle: Tefillin vs. Tallit

Um die Unterschiede noch klarer hervorzuheben, finden Sie hier eine Vergleichstabelle:

MerkmalTefillin (Gebetsriemen)Tallit (Gebetsschal)
FormZwei schwarze Lederkapseln mit RiemenViereckiges Tuch mit Zizit (Schaufäden) an den Ecken
Inhalt/BestandteilePergamentrollen mit biblischen Texten (Schma Jisrael etc.)Keine Texte im Tuch selbst; Zizit sind das Kernmerkmal
Wann getragen?Nur an Werktagen während des MorgengebetsAm Sabbat, an Festtagen und Werktagen während des Gebets
Warum nicht am Sabbat/Festtagen?Der Sabbat und Festtage sind selbst „Zeichen“ GottesDient als allgemeine Erinnerung an die Mitzwot, jederzeit relevant
HauptzweckPhysische Verbindung von Geist und Herz zu Gottes Geboten; Zeichen des BundesErinnerung an die 613 Gebote (Mitzwot)
Wo getragen?Ein auf dem Kopf, einer am Arm (gegenüber dem Herzen)Um die Schultern oder über den Kopf gelegt
Biblische GrundlageDeuteronomium 6:8, 11:18, Exodus 13:9, 13:16Numeri 15:37-41, Deuteronomium 22:12

Häufig gestellte Fragen

Warum werden Tefillin nicht am Sabbat und an Festtagen getragen?

Die Tefillin dienen als „Zeichen“ des Bundes zwischen Gott und dem jüdischen Volk und als Erinnerung an Gottes Gebote. Der Sabbat und die jüdischen Festtage werden jedoch bereits als inhärente „Zeichen“ und heilige Tage angesehen, die durch ihre bloße Existenz und die Einhaltung ihrer Gesetze an Gottes Bund und seine Schöpfungs- und Erlösungstaten erinnern. Das Tragen von Tefillin würde als unnötige Hinzufügung zu dieser bereits bestehenden Heiligkeit betrachtet und könnte die besondere Natur des Tages herabsetzen.

Was symbolisieren die Tefillin genau?

Die Tefillin symbolisieren die totale Hingabe an Gott: die Kapsel auf dem Kopf steht für die intellektuelle Hingabe (Gedanken), und die Kapsel auf dem Arm, nahe am Herzen, symbolisiert die emotionale Hingabe und die Tatkraft (Handlungen). Sie sollen den Träger daran erinnern, dass alle seine Gedanken, Gefühle und Handlungen dem Dienst an Gott gewidmet sein sollen.

Kann man Tefillin und Tallit zusammen tragen?

Ja, an Werktagen ist es üblich, sowohl den Tallit als auch die Tefillin während des Morgengebets zu tragen. Der Tallit wird zuerst angelegt, gefolgt von den Tefillin. Beide erfüllen unterschiedliche, aber ergänzende Funktionen im jüdischen Gebet und in der Erinnerung an die Gebote.

Was ist der Zweck der Zizit am Tallit?

Die Zizit (Schaufäden) am Tallit sind dazu da, den Träger an die 613 Gebote (Mitzwot) der Tora zu erinnern. Jede Fadenwicklung und jeder Knoten hat eine numerische Bedeutung, die zusammen mit dem hebräischen Wort für Zizit selbst auf die Gesamtzahl der Gebote hinweist. Sie dienen als ständige, sichtbare Erinnerung an die Verpflichtung, Gottes Geboten zu folgen.

Wer trägt Tefillin und Tallit?

Traditionell werden Tefillin und Tallit von erwachsenen jüdischen Männern getragen, die die Bar Mitzwa (religiöse Volljährigkeit) erreicht haben. In modernen und liberalen jüdischen Strömungen tragen zunehmend auch Frauen Tefillin und Tallit, als Ausdruck ihrer individuellen religiösen Verpflichtung und Gleichberechtigung im Gebet.

Fazit

Die Tefillin und der Tallit sind mehr als nur religiöse Kleidungsstücke oder Accessoires; sie sind tief verwurzelte Symbole der jüdischen Identität, des Glaubens und der Verpflichtung. Während die Tefillin als ein „Zeichen“ des Bundes und der Hingabe an Gottes Gebote dienen und daher an Tagen, die selbst als Zeichen gelten (Sabbat und Festtage), nicht getragen werden, fungiert der Tallit mit seinen Zizit als eine allgemeine Erinnerung an alle Mitzwot, die zu jeder Zeit relevant ist. Beide Gegenstände laden den Träger ein, sich bewusst mit seiner spirituellen Tradition zu verbinden und die Gebote nicht nur zu kennen, sondern auch in seinen Gedanken, seinem Herzen und seinen Taten zu leben. Das Verständnis dieser Nuancen bereichert das Verständnis des jüdischen Lebens und seiner tiefen spirituellen Praktiken.

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