20/12/2024
Das Fasten, bekannt als Sawm im Arabischen, ist eine der fundamentalen Säulen des Islam und eine gottesdienstliche Handlung von immenser spiritueller Bedeutung. Es ist weit mehr als nur der Verzicht auf Speisen und Getränke; es ist eine Disziplin des Körpers und der Seele, die darauf abzielt, die Gottesfurcht (Takwa) zu stärken, die Selbstbeherrschung zu schulen und Empathie für die Bedürftigen zu entwickeln. Während der verpflichtende Fastenmonat Ramadan weltweit von Muslimen eingehalten wird, gibt es auch zahlreiche Gelegenheiten für freiwilliges Fasten, die besondere Segnungen und Belohnungen mit sich bringen. Eine dieser herausragenden Gelegenheiten ist das Fasten am Tag von Arafat, ein Tag, der tief mit der Pilgerreise (Hadsch) verbunden ist und eine einzigartige Chance zur spirituellen Reinigung bietet.

Was ist das Fasten (Sawm) im Islam?
Im Kern ist Fasten im Islam die bewusste Enthaltung von Essen, Trinken und ehelichen Beziehungen von der Morgendämmerung (Fadschr) bis zum Sonnenuntergang (Maghrib) mit der Absicht, Allah dem Allmächtigen zu dienen. Es ist eine Form der Anbetung, die sowohl körperliche Ausdauer als auch geistige Konzentration erfordert. Der Qur'an und die Überlieferungen des Propheten Muhammad (Friede sei mit ihm) betonen die Wichtigkeit des Fastens als Mittel zur spirituellen Läuterung und zur Erlangung der Nähe zu Gott. Es lehrt Geduld, Dankbarkeit und das Bewusstsein für die eigenen Abhängigkeiten, während es gleichzeitig die Konzentration auf das Jenseits verstärkt.
Es gibt verschiedene Kategorien des Fastens:
- Verpflichtendes Fasten (Fard): Dies ist hauptsächlich das Fasten im Monat Ramadan, das für jeden erwachsenen, gesunden Muslim und jede Muslima verpflichtend ist.
- Empfohlenes/Freiwilliges Fasten (Sunnah/Mustahabb): Dies sind Fastentage, die nicht verpflichtend sind, aber vom Propheten Muhammad (Friede sei mit ihm) praktiziert oder empfohlen wurden und große Belohnungen versprechen. Dazu gehören das Fasten an Montagen und Donnerstagen, die sechs Tage im Monat Shawwal, der Tag von Ashura, und eben der Tag von Arafat.
- Verbotenes Fasten (Haram): Das Fasten an bestimmten Tagen ist ausdrücklich untersagt, wie an den beiden Eid-Festen (Eid al-Fitr und Eid al-Adha) oder das alleinige Fasten am Freitag ohne einen zusätzlichen Tag davor oder danach.
Der Tag von Arafat: Eine Quelle der Vergebung
Der Tag von Arafat ist der neunte Tag des islamischen Monats Dhul-Hidscha und fällt auf den Höhepunkt der jährlichen Hadsch-Pilgerreise. An diesem Tag versammeln sich Millionen Pilger auf der Ebene von Arafat nahe Mekka, um den ganzen Tag über zu beten, Allah um Vergebung zu bitten und ihre Hingabe zu erneuern. Für diejenigen, die nicht die Möglichkeit haben, die Hadsch zu vollziehen, bietet das freiwillige Fasten an diesem Tag eine außergewöhnliche spirituelle Gelegenheit und eine immense Belohnung.
Der Prophet Muhammad (Friede sei mit ihm) sagte über das Fasten am Tag von Arafat: „Für das Fasten am Tag von ʿArafāt erwarte ich von Allah (als Belohnung), dass Er die Sünden des Vorjahres und des Jahres danach tilgt.“ Dies ist eine Hadith, die von Muslim überliefert wurde (N. 2746) und die die unschätzbare Bedeutung dieses Tages unterstreicht. Der angesehene Gelehrte Hafith an-Nawawi erklärte dazu, dass dies die Sünden des Fastenden für zwei Jahre tilgt. Er fügte hinzu: „Und damit sind die kleinen Sünden gemeint... Wenn es keine kleinen Sünden gibt, wird gehofft, dass von den großen Sünden verringert wird, und wenn es keine gibt, wird die Stufe erhöht.“ Dies verdeutlicht die immense Gnade Allahs und die Möglichkeit zur umfassenden spirituellen Reinigung, die dieser Tag bietet.
Das Fasten am Tag von Arafat ist also eine freiwillige Handlung, die jedoch eine immense Belohnung und die Hoffnung auf Vergebung von Sünden mit sich bringt. Es ist eine Möglichkeit für Muslime weltweit, sich mit den Pilgern in ihrem Gebet und ihrer spirituellen Hingabe zu verbinden, auch wenn sie physisch nicht in Mekka sind.

Regeln für das Fasten am Freitag: Der Hadith von Juwairiya
Eine spezifische Regel, die oft Fragen aufwirft, betrifft das Fasten am Freitag. Es gibt eine Überlieferung von Dschuwairijah bint al-Harith (möge Allah mit ihr zufrieden sein), dass der Prophet Muhammad (Friede sei mit ihm) zu ihr an einem Freitag eintrat und sie fastete. Er fragte sie: „Hast du gestern gefastet?“ Sie sagte: „Nein.“ Er fragte: „Willst du morgen fasten?“ Sie sagte: „Nein.“ Daraufhin sagte er: „So brich dein Fasten.“ (Überliefert von al-Buchari N. 1986). Dieser Hadith wird von Gelehrten so interpretiert, dass es nicht erlaubt ist, den Freitag als einzigen Tag freiwillig zu fasten, um ihn nicht zu einem besonderen Feiertag oder Ruhetag wie in anderen Religionen zu machen oder um ihm keine besondere Bedeutung als Fastentag beizumessen, die nicht von der Sunnah belegt ist.
Die Gelehrten sind sich jedoch einig, dass es Ausnahmen von dieser Regel gibt. Wenn das Fasten am Freitag mit einem anderen Fasten zusammenfällt, das ohnehin erlaubt oder empfohlen ist, dann ist es erlaubt, am Freitag zu fasten. Dies ist genau der Fall, wenn der Tag von Arafat auf einen Freitag fällt.
Der Fall Arafat am Freitag: Die Erklärung von Schaykh Abdurahman Muhidin
Diese Situation wurde dem ehrenwerten Schaykh Dr. Abdurahman Muhidin (möge Allah ihn bewahren) in der Moschee des Propheten (Friede sei mit ihm) explizit vorgetragen. Die Frage lautete: „Der Tag von ʿArafāt fällt dieses Jahr am Freitag, und wir entnehmen vom Hadith Dschuwairijah, dass man den Freitag nicht alleine fasten soll, sondern dazu ein Tag vorher oder ein Tag danach fasten soll. Wie soll das Fasten dieses Jahr erfolgen?“
Der Schaykh antwortete eindeutig: „Ja, man soll einen Tag vorher oder einen Tag danach dazu fasten, und den Tag von ʿArafāt alleine zu fasten ist erlaubt, weil man fastet den Tag von ʿArafāt und nicht, weil es ein Freitag ist.“ Diese Erklärung ist entscheidend: Die Absicht des Fastens ist hier der Tag von Arafat, nicht der Freitag an sich. Wenn die Absicht eine andere ist als das besondere Hervorheben des Freitags, dann ist das Fasten erlaubt.
Der Fragesteller wies darauf hin: „Dieses Jahr wird man nur in der Lage sein, einen Tag vorher (d.h. am Donnerstag) zu fasten, da ein Tag danach der Tag von ʿĪd (Opferfest) ist.“ Der Schaykh stimmte zu: „Sehr gut.“ Dies bestätigt die Vorgehensweise, entweder den Donnerstag und Freitag oder den Freitag und Samstag zu fasten, falls Arafat auf einen Freitag fällt und der Samstag kein Eid-Tag ist. Da der Tag nach Arafat der Eid al-Adha ist, an dem das Fasten verboten ist, bleibt in diesem speziellen Fall nur die Option, den Donnerstag davor zu fasten, falls man den Freitag nicht alleine fasten möchte. Die primäre Aussage des Schaykhs ist jedoch, dass das Fasten am Freitag, wenn es der Tag von Arafat ist, auch alleine erlaubt ist, da die Absicht auf Arafat gerichtet ist.

Fasten an verbotenen Tagen: Eid al-Fitr und Eid al-Adha
Es ist ein fundamentaler Grundsatz im Islam, dass das Fasten an den beiden Eid-Festen – Eid al-Fitr (Fest des Fastenbrechens nach Ramadan) und Eid al-Adha (Opferfest) – strikt verboten ist. Dies wird durch zahlreiche Hadithe belegt, darunter die Überlieferung von Abu Huraira (möge Allah mit ihm zufrieden sein), dass der Prophet Muhammad (Friede sei mit ihm) das Fasten an zwei Tagen verbot: Der Tag des Schlachtens (Eid al-Adha) und der Tag des Fastenbrechens (Eid al-Fitr). (Muslim N. 1138).
Hafith an-Nawawi, ein weiterer großer Gelehrter, bestätigte: „Und die Gelehrten sind sich einig (Idschmāʿ), dass es verboten ist, an diesen zwei Tagen zu fasten in jeder Situation…“ (Scharh ala Sahih Muslim 4/271). Der Grund für dieses Verbot liegt darin, dass diese Tage als Tage der Freude, des Dankes und des Feierns gedacht sind, an denen Muslime zusammenkommen, essen, trinken und die Segnungen Allahs genießen sollen. Das Fasten würde dem Geist dieser Feste widersprechen.
Die spirituellen und körperlichen Vorteile des Fastens
Neben der spezifischen Belohnung der Sündenvergebung am Tag von Arafat bietet das Fasten im Allgemeinen eine Fülle von Vorteilen, sowohl auf spiritueller als auch auf körperlicher Ebene. Es ist eine Gelegenheit zur:
- Erhöhung der Gottesfurcht (Takwa): Fasten lehrt Disziplin und Selbstkontrolle, was zu einem stärkeren Bewusstsein für Allahs Allgegenwart führt.
- Stärkung der Selbstbeherrschung: Der Verzicht auf grundlegende Bedürfnisse wie Essen und Trinken trainiert den Willen und die Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen.
- Entwicklung von Empathie: Das Erleben von Hunger und Durst fördert das Mitgefühl für die Armen und Bedürftigen.
- Reinigung des Körpers: Aus medizinischer Sicht kann Fasten dem Verdauungssystem eine Pause gönnen und den Körper bei der Entgiftung unterstützen, obwohl dies nicht der primäre islamische Beweggrund ist.
- Steigerung der Dankbarkeit: Nach dem Fasten schätzt man die Segnungen von Essen und Trinken, die oft als selbstverständlich angesehen werden, umso mehr.
- Spirituellen Erneuerung: Fasten ermöglicht eine tiefere Konzentration auf Gebet, Qur'an-Lesen und Dhikr (Gedenken an Allah), was die Seele erfrischt und erneuert.
Häufig gestellte Fragen zum freiwilligen Fasten
Um die Absicht des Lesers umfassend zu beantworten, hier einige häufig gestellte Fragen zum freiwilligen Fasten, insbesondere im Kontext von Arafat:
| Frage | Antwort |
|---|---|
| Muss ich am Tag von Arafat fasten? | Nein, das Fasten am Tag von Arafat ist freiwillig (Mustahabb), aber es ist sehr empfohlen und verspricht große Belohnung. |
| Was passiert, wenn Arafat auf einen Freitag fällt? | Sie dürfen fasten. Die Absicht ist das Fasten von Arafat, nicht das Fasten des Freitags. Es ist jedoch sicherer und empfohlen, einen Tag davor (Donnerstag) mitzufasten, wenn möglich, um der Überlieferung bezüglich des Fastens am Freitag zu entsprechen. |
| Kann ich an den Eid-Tagen fasten? | Nein, das Fasten an Eid al-Fitr und Eid al-Adha ist strengstens verboten (Haram). Diese Tage sind zum Feiern und Genießen der Segnungen Allahs gedacht. |
| Wer sollte am Tag von Arafat nicht fasten? | Die Pilger, die sich auf der Ebene von Arafat befinden, fasten normalerweise nicht, um ihre Kraft für die Gebete und den Aufenthalt (Wukuf) am Berg Arafat zu bewahren. Für alle anderen Muslime außerhalb der Hadsch ist das Fasten empfohlen. |
| Benötige ich eine spezielle Absicht für das Fasten am Tag von Arafat? | Ja, wie bei jedem Fasten ist die aufrichtige Absicht (Niyyah) im Herzen notwendig. Man beabsichtigt, am Tag von Arafat zu fasten, um Allahs Wohlgefallen und die versprochene Vergebung zu erlangen. Diese Absicht sollte vor dem Fadschr (Morgendämmerung) gefasst werden. |
Das Fasten im Islam ist eine tiefgründige Praxis, die den Gläubigen in seiner Beziehung zu Allah stärkt und ihm hilft, seine spirituellen Ziele zu erreichen. Der Tag von Arafat ist ein leuchtendes Beispiel für die Barmherzigkeit Allahs, der denjenigen, die sich Ihm zuwenden, reichliche Belohnungen und die Möglichkeit zur Reinigung von Sünden gewährt. Möge Allah unser Fasten annehmen und uns alle mit Seiner unendlichen Gnade segnen.
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