10/10/2025
Die Jesiden, auch bekannt als Eziden oder Êzîden, stellen eine faszinierende und oft missverstandene Religionsgemeinschaft dar, deren Wurzeln tief in der Geschichte des Nahen Ostens verankert sind. Ihre einzigartige Kultur und ihr Glaube haben sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt, oft unter schwierigen Bedingungen und inmitten von Verfolgung. Dieser Artikel beleuchtet die Ursprünge, die zentralen Glaubensvorstellungen, die lebendigen Rituale und die aktuelle Situation dieser bemerkenswerten Menschen, die trotz aller Widrigkeiten an ihrer Identität festhalten.

Die Jesiden sind eine ethnisch-religiöse Gruppe, die hauptsächlich kurdischer Abstammung ist und eine eigenständige, monotheistische Religion praktiziert. Ihre Geschichte ist geprägt von einer tiefen Verbindung zu ihrem Land, insbesondere im Nordirak, und einer spirituellen Praxis, die sich von den dominierenden Religionen der Region unterscheidet. Ihr Glaube, reich an Symbolik und mündlichen Überlieferungen, bietet einen einzigartigen Einblick in die Vielfalt religiöser Ausdrucksformen.
Die Herkunft der Bezeichnung „Jesiden“
Die Bezeichnung „Jesiden“ oder „Yeziden“ ist Gegenstand wissenschaftlicher und theologischer Debatten. In Deutschland lebende Jesiden bevorzugen oft die Eigenbezeichnung „Eziden“ oder „Êzîden“, um sich von externen Zuschreibungen abzugrenzen. Die Etymologie des Namens ist nicht eindeutig geklärt, es existieren mehrere Theorien:
- Kalif Yazid I.: Eine Theorie führt den Namen auf den Umayyaden-Kalifen Yazid I. (680–683) zurück. Diese Verbindung wird von den Jesiden selbst jedoch entschieden abgelehnt, da sie keine historische oder theologische Beziehung zu diesem Kalifen sehen.
- Altiranisches Wort Yazata: Eine weitere, von den Jesiden favorisierte Erklärung leitet den Namen vom altiranischen Wort Yazata ab, was „göttliches Wesen“ bedeutet. Dies würde sie als „Gottesanbeter“ definieren und eine Verbindung zum altiranischen Gott Ahura Mazda herstellen, was auf eine sehr alte, vorislamische Herkunft des Glaubens hindeuten könnte.
- Charidschitischer Geistlicher Yazid bin Unaisa: Der Religionsgelehrte asch-Schahrastānī (1076–1153) vermutete, die Jesiden seien Anhänger des charidschitischen Geistlichen Yazid bin Unaisa gewesen.
- Ez dā („Mich erschaffen“): Eine andere Herleitung verweist auf die Wendung „Ez dā“ („Mich erschaffen“) oder „Xwedê ez dam“ („Gott hat mich erschaffen“) und „Em miletê ezdaîn“ („Wir sind die Ezdayi Nation“), was eine spirituelle Selbstdefinition darstellt.
Diese Vielfalt an Erklärungsversuchen zeigt die Komplexität der jesidischen Identität und die Notwendigkeit, ihre Eigenwahrnehmung zu respektieren.
Die frühe Geschichte des Jesidentums
Die Entstehung der jesidischen Gemeinschaft ist ein Thema unterschiedlicher historischer und theologischer Perspektiven. Der arabische Autor Ahmad Taimur datiert das Aufkommen der jesidischen Gemeinschaft nicht vor dem 12. Jahrhundert. Im Gegensatz dazu vertritt der jesidische Autor Darwis Hasso die Ansicht, dass sich das Jesidentum aus dem Zoroastrismus entwickelt habe, einer noch älteren iranischen Religion.
Eine breitere Gruppe von Nahost-Autoren sieht das Jesidentum als eine sehr alte Religion der Kurden, die auf iranische Mythologie und insbesondere auf den Mithraskult zurückzuführen ist. Diese Theorien unterstreichen die tiefen historischen Wurzeln des jesidischen Glaubens in der Region.
Die erste schriftliche Erwähnung der Jesiden findet sich im 12. Jahrhundert. Die Ankunft von Scheich ʿAdī ibn Musāfir in den kurdischen Bergen zu Beginn dieses Jahrhunderts gilt als entscheidender Moment für ihre religiöse Entwicklung. Es gab jedoch bereits vor ihm eine Bewegung im Kurdengebiet, bekannt als Yazīdīya, die mit dem Umayyaden Yazid I. sympathisierte. Zeitgenössische Quellen belegen auch, dass religiöse Vorstellungen iranischen Ursprungs unter den Kurden weit verbreitet waren.
Scheich ʿAdī ließ sich im Tal von Lalisch nieder und gründete einen Sufi-Orden, die sogenannte ʿAdawīya, die sich im gesamten Nahen Osten, insbesondere in Syrien und Ägypten, verbreitete. Während der Orden in anderen Regionen islamisch blieb, nahm er bei den Kurden eine Sonderentwicklung. Unter Scheich al-Hasan ibn ʿAdī, einem Nachfolger Scheich ʿAdīs, der im frühen 13. Jahrhundert lebte, wurde der Ordensgründer immer stärker verehrt. Der Einfluss der iranischen Vorstellungen auf den Orden nahm zu, was zur Entstehung einer eigenständigen Religionsgemeinschaft führte.
Ein bedeutender Konflikt ereignete sich um 1254 zwischen Scheich Hasan und dem Statthalter von Mossul, Badr al-Din Luʾluʾ. Jesidische Krieger versammelten sich im Sindschar-Gebiet. Nach ihrer Niederlage wurde Scheich Hasan von Badr al-Dins Männern gefangen genommen und in Mossul am Tor gehängt. Lalisch wurde ebenfalls angegriffen. Hasans Sohn Scherfedin sandte eine Botschaft an die Jesiden in Lalisch, die zu Zusammenhalt, Verteidigung und Bewahrung der jesidischen Religion aufrief. Er wurde im erneuten Kampf getötet, doch seine Botschaft wurde zu einer religiösen Hymne der Jesiden – ein Zeugnis ihres Widerstandsgeistes.
Glaubenslehren und religiöse Einordnung
Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, die sich durch einzigartige theologische Konzepte auszeichnet. Es wird oft neben anderen monotheistischen Religionen wie Judentum, Christentum und Islam genannt. Einige Jesiden glauben, ihre Religion sei älter als das Christentum und habe sich aus dem altpersischen Mithras-Kult oder den Kulten der Meder entwickelt. Die moderne religionsgeschichtliche Forschung betont jedoch den eigenständigen Charakter der jesidischen Religion, die Elemente aus verschiedenen Glaubenssystemen, darunter das orientalische Christentum (insbesondere die nestorianische Eucharistie), der Mandäismus, der Manichäismus und die Gnosis, adaptiert und in ihr eigenes System integriert hat.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert verbreiteten europäische Reisende fälschlicherweise die Bezeichnung „Teufelsanbeter“ für die Jesiden. Dies rührte von Berichten muslimischer Nachbarn her und bezog sich auf die jesidische Verehrung von Melek Taus, dem obersten Engel, der von Muslimen fälschlicherweise mit Satan gleichgesetzt wurde. Melek Taus ist für die Jesiden jedoch kein Teufel, sondern ein erlöster, oberster Engel, der eine zentrale Rolle in ihrer Kosmologie spielt. Er ist der Pfauenengel, der von Gott mit der Verwaltung der Welt betraut wurde. Diese Missinterpretation führte zu schwerwiegenden Verfolgungen und Diskriminierungen.
Die Vorstellung, Melek Taus sei der Teufel, ist ein Missverständnis. Im jesidischen Glauben ist er ein geliebter und verehrter Engel, der eine wichtige Rolle in der Schöpfung und im Fortbestand der Welt spielt. Die Jesiden glauben an einen einzigen Gott, der die Welt erschaffen hat, und Melek Taus ist sein Stellvertreter auf Erden. Die theologische Nähe zu bestimmten Sufi-Strömungen, die eine Art „Rehabilitierung des Satans“ anstrebten, wie etwa bei al-Hallādsch, zeigt die Komplexität der jesidischen Theologie und ihre Abgrenzung von orthodoxen islamischen Interpretationen.
Um die jesidischen Glaubenslehren besser zu verstehen, ist es hilfreich, einige Kernkonzepte zu betrachten:
- Monotheismus: Jesiden glauben an einen einzigen Gott, der der Schöpfer des Universums ist.
- Sieben Mysterien (Engel): Unter Gott gibt es sieben heilige Engel, die eine zentrale Rolle spielen, wobei Melek Taus der wichtigste ist.
- Seelenwanderung (Reinkarnation): Der Glaube an die Reinkarnation ist ein fundamentaler Bestandteil des jesidischen Glaubens. Die Seele wandert nach dem Tod in einen neuen Körper, und die Qualität dieses neuen Lebens hängt von den Taten im vorherigen Leben ab.
- Kastenwesen: Die jesidische Gesellschaft ist in Kasten unterteilt (Scheichs, Pirs, Murids), zwischen denen Heiraten nicht gestattet sind, um die Reinheit der Abstammungslinien zu bewahren.
Religiöse Praktiken und Feste
Das jesidische Leben ist reich an Ritualen und Festen, die den Jahreszyklus und die Lebensabschnitte prägen. Diese Praktiken sind tief in der Gemeinschaft verankert und tragen zur Bewahrung der religiösen Identität bei.
Übergangsriten
Um als vollwertiges Mitglied der jesidischen Gemeinschaft akzeptiert zu werden, durchläuft jede Person eine Reihe von Übergangsritualen:
- Biska Pora (Erstes Haareschneiden): Dieses Ritual betrifft nur Knaben und findet im siebten oder neunten Monat nach der Geburt statt. Der Scheich des Knaben schneidet dessen Haar von beiden Seiten ab und nimmt drei Locken (bisk) ab. Zwei davon werden den Eltern gegeben, eine behält der Scheich selbst und widmet sie den Vorfahren von Scheich ʿAdī.
- Mor Kirin: Oft mit der christlichen Taufe verglichen, wird hierbei der Kopf des jesidischen Jungen oder Mädchens drei Mal mit Wasser besprengt. Für dieses Ritual wird Wasser aus den als heilig geltenden weißen Quellen in Lalisch verwendet, weshalb es hauptsächlich im Irak praktiziert wird.
- Sinet (Beschneidung): Die Beschneidung der Knaben ist ein weiterer wichtiger Ritus.
- Birā-yē Āchiratē / Huschk-ā Āchiratē (Jenseits-Bruder / Jenseits-Schwester): In der Jugend wählen Jesiden einen „Jenseits-Bruder“ oder eine „Jenseits-Schwester“ aus einer Scheich-Familie. Diese lebenslange Verbindung, die oft in Lalisch geschlossen wird, verpflichtet zu gegenseitiger Hilfe. Die Jenseits-Geschwister „begleiten“ den Verstorbenen in der Totenzeremonie auf dem Weg zur neuen Bestimmung und sollen auch im Jenseits die moralische Mitverantwortung für ihre Taten übernehmen. Dies ist eng mit dem jesidischen Glauben an die Seelenwanderung verbunden, da dieselben Jenseits-Geschwister in verschiedenen Leben immer wieder zusammenkommen sollen.
Bellendan
Dieses Fest wird je nach Region am 1. oder 25. Dezember gefeiert. Jesiden backen Brot und verteilen es an die Armen. Falls keine Bedürftigen gefunden werden, wird das Brot symbolisch an Nachbarn verschenkt. In manchen Gegenden werden Rosinen in das Brot gemischt, und wer sie findet, soll Glück im Leben haben. Für viele Jesiden ist Bellendan ein „Fest für die Toten“, bei dem sie Brot backen und die Gräber ihrer Vorfahren besuchen.
Die Wallfahrt nach Lalisch (Jashne Jimaiye)
Jedes Jahr im Herbst findet in Lalisch, am Grab von Scheich ʿAdī, das jesidische Versammlungsfest (Jashne Jimaiye) statt. Es dauert sieben Tage und ist der zentrale Punkt der allgemeinen jesidischen Wallfahrt, die eine Pflicht für jeden Jesiden ist. Der genaue Termin variiert, liegt aber meist Ende September oder Anfang Oktober. Politische Umstände erschweren oder verhindern diese Pilgerfahrt oft.
Nach jesidischer Vorstellung versammeln sich zu dieser Zeit alle „sieben Mysterien“, um wichtige Entscheidungen für das kommende Jahr zu treffen. Jeder Jeside sollte mindestens einmal im Leben an diesem Wallfahrtsfest teilgenommen haben.
Die Pilgerfahrt umfasst eine Reihe von Zeremonien:
- Pira Silat (Silat-Brücke): Am ersten Tag ziehen die Pilger zum unteren Ende des Lalisch-Tals, wo sich die Silat-Brücke befindet. Diese Brücke trennt den heiligen vom profanen Bereich. Die Pilger ziehen die Schuhe aus, waschen sich drei Mal die Hände im Wasser unter der Brücke, überschreiten mit Fackeln drei Mal die Brücke und sprechen dabei: „Die Silat-Brücke, auf der einen Seite ist die Hölle, auf der anderen das Paradies.“ Anschließend begeben sie sich in den oberen Bereich des Tals und singen religiöse Hymnen. Das gesamte religiöse Personal – der Mīr, der Baba Schaich, der Peschimām, der Baba Tschawūsch und weitere – nimmt an der Prozession teil.
- Wiederholung der Zeremonien: Am zweiten und dritten Tag werden diese Zeremonien wiederholt.
- Parī Suwar Kirin: Am vierten Tag findet diese Zeremonie statt. Der Baba Tschawūsch und seine Helfer nehmen die bunten Tücher, die den Sarkophag von Scheich ʿAdī und die Säulen des Heiligtums bedecken, und bringen sie zur Quelle von Kanīya Spi. Dort werden diese Tücher von einem speziellen Geistlichen, dem serderī von Kanīya Spi (der einer bestimmten Pīr-Familie angehören muss), rituell gewaschen.
- Qabach (Schlachtopfer): Am fünften Tag wird die Zeremonie des Qabach vollzogen, das Schlachtopfer eines Bullen.
- Berē Shibak: Am sechsten Tag wird die Zeremonie des Berē Shibak durchgeführt. Hierbei wird im Gedenken daran, dass Scheich ʿAdī nach seinem Tod auf einer Tragbahre transportiert wurde, eine viereckige Tragbahre aus Flechtwerk in die Versammlungshalle gebracht.
- Abschluss der Wallfahrt: Am letzten Tag des Festes wird die Tragbahre von Musik begleitet zu einem Becken im Inneren des Heiligtums gebracht und mit Wasser besprengt. Hierzu werden Gebete gesprochen, und anschließend wird sie an ihren Platz im Heiligtum gebracht.
Jesidische Pilger bringen aus Lalisch geweihte Erde mit, die mit dem heiligen Wasser der Quelle Zemzem (nicht zu verwechseln mit dem muslimischen Samsam) zu festen Kügelchen geformt wurde. Diese Kügelchen, genannt berat, gelten als „heilige Steine“ und spielen bei vielen religiösen Zeremonien eine wichtige Rolle.
Neujahrsfest (Sersal)
Das religiöse Neujahr der Jesiden, Sersal, fällt nicht wie das kurdische Newroz-Fest auf den 21. März, sondern findet am ersten Mittwoch nach dem 14. April im gregorianischen Kalender statt. Es wird auch Çarşema Sor (Roter Mittwoch) oder Çarşema Serê Nîsanê (Erster Mittwoch im April) genannt. Es ist ein wichtiges Familienfest, zu dem Angehörige, auch aus der Diaspora, oft über große Entfernungen zusammenkommen. Jesidische Kinder in Europa vergleichen es manchmal mit Ostern, da bunt gefärbte Eier eine symbolische Rolle spielen, die versteckt und von den Kindern gesucht werden.
Tawusgerran
Eines der bedeutendsten religiösen Jahresfeste in den Dörfern war Tawusgerran, die „Zirkulation des Pfauen“. An diesem Tag kamen Mitglieder der gesonderten Kaste der Qawwal, die aus den nordirakischen Kleinstädten Baschiqa und Bahzani stammten, in die Dörfer. Sie trugen sakrale Hymnen vor und brachten ein Bildnis von Melek Taus, eine metallene Pfauenfigur, mit, damit es von der Dorfbevölkerung verehrt werden konnte. Die Rezitation der Verse wurde vom Spiel der als heilig geltenden Längsflöte Schebab und der Rahmentrommel Duff begleitet. Aufgrund von Grenzziehungen und politischen Problemen ist Tawusgerran, das mit langen Reisen der Qawwal verbunden war, in der Heimatregion der Jesiden im 20. Jahrhundert praktisch nicht mehr durchführbar.
Verfolgung und Diaspora
Die Jesiden haben im Laufe ihrer Geschichte immer wieder schwerste Verfolgungen erlebt, insbesondere im Nahen Osten. Diese Verfolgungen haben zu einer starken jesidischen Diaspora in verschiedenen Teilen der Welt geführt. Die jüngsten Gräueltaten, insbesondere durch extremistische Gruppen im Irak, haben viele Jesiden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und Schutz in anderen Ländern zu suchen.
Die traumatischen Erfahrungen der Verfolgung, bei der ganze Gemeinden ausgelöscht wurden und unzählige Menschen getötet oder versklavt wurden, haben tiefe Wunden hinterlassen. Das Misstrauen gegenüber der lokalen Bevölkerung, die teilweise mit den Verfolgern kollaborierte, ist groß. Dies hat dazu geführt, dass viele Jesiden eine Rückkehr in ihre angestammten Siedlungsgebiete wie Sindschar oder Schaichān im Irak nicht mehr als Option sehen.
Die Zukunftsdebatte der jesidischen Gemeinschaft
Angesichts der starken Diaspora und der anhaltenden Bedrohungen im Irak ist eine intensive Debatte über die Zukunft der jesidischen Religionsgemeinschaft entstanden. Viele Jesiden sehen ihre Zukunft außerhalb des Irak, da sie sich in der Autonomen Region Kurdistan politisch nicht repräsentiert und teilweise sogar angefeindet fühlen.
Es gibt verschiedene Vorschläge für die Zukunft:
- Ein kleiner Staat in Ninawa: Eine Idee ist die Schaffung eines kleinen, international geschützten Staates in der irakischen Provinz Ninawa. Dieser würde Minderheiten eine sichere Heimat bieten, frei von religiöser Verfolgung und politischem Druck.
- Umsiedlung nach Armenien: Eine andere Option ist die Umsiedlung der gesamten Gemeinschaft nach Armenien, wo bereits etwa 40.000 Jesiden leben und eine etablierte Gemeinschaft existiert.
- Langfristig nach Israel: Eine weitere, langfristige Option, die von einigen diskutiert wird, ist eine Umsiedlung nach Israel.
Diese Debatten spiegeln den tiefen Wunsch der Jesiden wider, ihre Religion und Kultur angesichts existenzieller Bedrohungen zu bewahren und eine sichere Zukunft für kommende Generationen zu gewährleisten. Die internationale Gemeinschaft ist aufgerufen, die Jesiden in ihrem Streben nach Sicherheit und Selbstbestimmung zu unterstützen.
Häufig gestellte Fragen zu den Jesiden
Um ein umfassenderes Verständnis der jesidischen Gemeinschaft zu ermöglichen, beantworten wir hier einige häufig gestellte Fragen:
Wer sind die Jesiden?
Die Jesiden, auch Eziden genannt, sind eine ethnisch-religiöse Minderheit, die hauptsächlich kurdischer Abstammung ist und eine eigenständige, monotheistische Religion praktiziert, die Elemente aus alten mesopotamischen, iranischen und islamischen Traditionen vereint.
Was ist Melek Taus und warum ist er so wichtig?
Melek Taus, der Pfauenengel, ist der oberste der sieben heiligen Engel im jesidischen Glauben und gilt als Stellvertreter Gottes auf Erden. Er ist für die Jesiden eine Figur der Verehrung und kein „Teufel“, wie fälschlicherweise oft behauptet wird. Seine Verehrung ist ein zentraler Bestandteil ihrer Religion.
Warum ist Lalisch für die Jesiden so heilig?
Lalisch ist das wichtigste Heiligtum und Pilgerzentrum der Jesiden im Nordirak. Dort befindet sich das Grab von Scheich ʿAdī ibn Musāfir, dem Reformer und Mystiker, der im 12. Jahrhundert eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Jesidentums spielte. Die jährliche Pilgerfahrt nach Lalisch ist eine religiöse Pflicht.
Glauben Jesiden an die Reinkarnation?
Ja, der Glaube an die Seelenwanderung (Reinkarnation) ist ein fundamentaler Bestandteil des jesidischen Glaubens. Jesiden glauben, dass die Seele nach dem Tod in einen neuen Körper übergeht und dass Taten im vorherigen Leben das nächste Leben beeinflussen.
Werden Jesiden verfolgt?
Historisch und aktuell sind Jesiden immer wieder schweren Verfolgungen ausgesetzt gewesen, oft aufgrund von Missverständnissen ihres Glaubens und ihrer Minderheitenposition. Besonders gravierend waren die Angriffe durch extremistische Gruppen im Irak, die viele Jesiden zur Flucht zwangen und zu humanitären Katastrophen führten.
Wie viele Jesiden gibt es weltweit und wo leben sie?
Die genaue Anzahl der Jesiden ist schwer zu bestimmen, da sie oft nicht offiziell erfasst werden und viele in der Diaspora leben. Die größten Gemeinschaften leben traditionell im Nordirak (insbesondere in der Region Sindschar und Ninawa-Ebene), aber auch in Syrien, der Türkei und Armenien. Eine große und wachsende Diaspora existiert in Europa, insbesondere in Deutschland, sowie in anderen westlichen Ländern.
Fazit
Die Jesiden sind eine faszinierende und widerstandsfähige Gemeinschaft, deren reiche Geschichte und einzigartiger Glaube tiefe Einblicke in die Vielfalt menschlicher Spiritualität bieten. Trotz anhaltender Herausforderungen und der tragischen Erfahrungen von Verfolgung halten sie an ihren Traditionen fest und suchen nach Wegen, ihre Kultur und Religion für zukünftige Generationen zu bewahren. Ihre Geschichte ist ein Zeugnis der Beharrlichkeit des Glaubens und der Menschlichkeit angesichts von Widrigkeiten.
Wenn du andere Artikel ähnlich wie Die Jesiden: Eine alte Religion im Wandel kennenlernen möchtest, kannst du die Kategorie Religion besuchen.
