Was versteht man unter Heimat?

Heimat im Herzen: Der Weg zurück zu Gott

16/12/2024

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In den Tiefen unserer Seele schlummert oft eine leise Unruhe, ein Gefühl des Getriebenseins, das uns von innen heraus antreibt. Manchmal äußert es sich als vages Gefühl, etwas zu verpassen, nicht am richtigen Platz zu sein oder schlichtweg den eigenen Weg verloren zu haben. Es ist ein Zustand, der sich schwer in Worte fassen lässt, aber tief sitzendes Unbehagen hervorruft. Genau dieses Gefühl führte mich einst zu einer Ordensschwester, in der Hoffnung, Klarheit zu finden. Doch ihre Worte trafen mich wie ein Blitz: „Du hast deine Heimat verloren!“ Eine absurde Behauptung, dachte ich, als ich empört aufstehen wollte. Heimat? Ich hatte doch ein Zuhause, Familie, Freunde. Doch die Schwester sprach weiter: „Du hast dich selbst verloren! Du bist nicht in dir zu Hause!“ Dieser Satz sollte mich fortan nicht mehr loslassen und eine tiefgreifende Suche nach der wahren Bedeutung von Heimat in Gang setzen.

Was bedeutet Heimat für mich als Christ?
Heimat ist für mich überall da, wo Menschen sind, die ich liebe und wo ich das Gefühl habe von Menschen angenommen zu sein. Ich glaube es ist noch viel mehr. Heimat bedeutet für mich als Christ, auch eine geistliche Heimat zu haben und in sich selbst angekommen zu sein, das ist wohl in der heutigen turbulenten Zeit mitunter das Schwierigste.
Inhaltsverzeichnis

Das vielschichtige Wesen der Heimat

Der Begriff „Heimat“ ist weitaus komplexer, als wir ihn oft wahrnehmen. Er übersteigt die bloße geografische Verortung und berührt die tiefsten Schichten unserer Existenz. Auf meinem Heimweg vom Kloster dachte ich an meine Freundin Hengameh, die ihr Heimatland Iran und damit ihre äußere Heimat verlassen musste, als sie zum christlichen Glauben fand. Oder an Claudia, die als Kind ihre Mutter verlor und deren Vater früh starb – auch sie schien keine Heimat im traditionellen Sinne zu haben. Aber ich? Ich sollte heimatlos sein? Die anfängliche Wut wich einer beunruhigenden Erkenntnis: Vielleicht hatte die Ordensschwester recht. Dieses innere Getriebensein, die ständige Unruhe, die bohrenden Fragen – all das schien tatsächlich mit einer verlorenen Heimat zu tun zu haben. Nicht die äußere, vertraute Umgebung fehlte mir, sondern eine tiefere, innere Heimat, die ich nicht benennen konnte.

Was aber bedeutet „Heimat“ jenseits von Ort und Herkunft? Die Suche nach einer eindeutigen Definition erweist sich als schwierig, denn Heimat ist ein zutiefst persönliches und oft unbewusstes Konstrukt. Sie ist der vertraute Geruch von reifen Äpfeln im Garten, das Knarren des Gartentores oder die bekannten Biegungen einer Straße. Heimat ist der Rhythmus einer Stadt, geprägt vom Klappern der Rollläden am Abend oder dem Geräusch der Straßenbahn. Sie ist das Gefühl der Verbundenheit, wenn man mit den besten Freunden tanzt, oder die stille Erhabenheit, wenn man mit dem Partner auf einem verschneiten Berggipfel steht. Heimat sind die Menschen, die uns umgeben – der Kollege, der Kletterpartner, der Vereinskamerad. Sie ist Identität, Sprache, Rhythmus, Ritual, aber auch Sicherheit, Beziehung, Zugehörigkeit, Wissen, Vertrautheit und Sinnlichkeit. Sie gibt unserem Leben Ruhe und Farbe. All das hatte ich scheinbar verloren. Ich war zu einer Herzensflüchtlingin geworden.

Das Herz als wahre Heimat

Der Satz „Du bist nicht in dir zu Hause!“ hallte in mir nach. Was genau ist dieses „Innen drin“? Die Ordensschwester erklärte es mir: „Dein Herz ist die Tiefe deines Wesens. Wir leben aus dieser Tiefe. Was dein Herz prägt, das prägt dich. Wie du mit deinem Herzen umgehst, entscheidet über alles andere: dein Handeln, Denken, Fühlen und Wollen. Dein Herz hat Einfluss auf deine Seele und sogar auf deinen Körper.“ Das Herz, so verstand ich, ist der „geistliche Kern“, der Mittelpunkt unseres Seins. Es ist nicht nur ein physisches Organ, das Blut pumpt, sondern der Ort, an dem unsere Identität, unser Charakter und unsere Persönlichkeit geformt werden. Die hebräischen Denker beschrieben das Herz als den Sitz der Gefühle, das Wohnzimmer der Vernunft und das Schlafzimmer des Wünschens und Wollens. Mein Herz ist in meinem tiefsten Wesen ich selbst. Die Erkenntnis, dass ich die Heimat in meinem eigenen Herzen verloren hatte, traf mich mit voller Wucht. Ich war ein Flüchtling geworden – ein Herzensflüchtling, der nach seinem inneren Zuhause suchte.

Ein Vergleich: Äußere vs. Innere Heimat

Äußere Heimat (Physisch/Sozial)Innere Heimat (Spirituell/Emotional)
Ort auf der Landkarte, Gebäude, StadtteilGefühl der Zugehörigkeit und Geborgenheit im eigenen Inneren
Vertraute Gerüche, Geräusche, GeschmäckerIdentität, Selbstverständlichkeit, innerer Rhythmus
Familie, Freunde, GemeinschaftBeziehung zu sich selbst, zum eigenen Wesenskern
Kulturelle Rituale und SpracheSicherheit, Vertrautheit, Sinnlichkeit des Seins
Kann durch äußere Umstände verloren gehen (Flucht, Umzug)Kann durch inneres Getriebensein, Sinnverlust verloren gehen
Wiederfinden durch Rückkehr oder Neuanfang an anderem OrtWiederfinden durch Selbstreflexion, spirituelle Suche, Gotteserfahrung

Der heimatlose Gott: Eine unerwartete Perspektive

Die Frage, wie man zurückfindet, wenn man sich selbst verloren hat, führte mich auf eine weitere, unerwartete Spur: die Suche nach Gott. Wenn ich eine neue Herzensbleibe finden wollte, wo sollte ich diese Reise beginnen? Und wo hat Gott eigentlich seine Heimat? Die fromme Antwort „Dort, wo man ihn einlädt“ schien mir zu einfach. Betrachtet man die biblischen Geschichten, so erscheint Gott selbst manchmal als heimatlos. Ist Gott ein Flüchtling? Vielleicht nicht im menschlichen Sinne, aber ist nicht auch er auf der Suche nach einem Zuhause? Treibt ihn nicht eine gewaltige Sehnsucht, die ihn unruhig macht und bewegt?

Am Anfang der Schöpfung bewegt sich der Geist Gottes über den Wassern – es ist finster, leer, wüst und einsam (1. Mose 1,1-2). Gott schafft sich und den Menschen eine Heimat auf der Welt. Doch Gottes Heimatsuche ist untrennbar mit der Suche des Menschen verbunden. Er ist ein Gott, der in Bewegung ist, ein Nomadengott, ein Wandergott. Er klettert auf einer Leiter zwischen Himmel und Erde (1. Mose 28). Während seiner Zeit auf der Erde hat Jesus, der Sohn Gottes, keinen festen Platz zum Schlafen, nicht einmal ein Kopfkissen (Lukas 9,58). Er kommt in seine eigene Heimat und wird dort weder erkannt noch aufgenommen (Johannes 1,11). Er stirbt für die Sehnsucht, ein Zuhause bei den Menschen zu haben. Er ist der heimatlose Gott, der an unbequeme Orte kommt (1. Mose 28,10-22).

Gott schreibt Geschichte mit einem Wandervolk. Er erinnert Abraham an die tiefste Wahrheit: „Ich bin es, der bei dir ist! Bei mir ist Heimat! Bei aller Einsamkeit: Ich bin dein Zuhause.“ Deshalb wandert er mit – mit dem Flüchtling Abraham, seinen Enkeln und all ihren Nachkommen. Irgendwann, auf der großen Flucht aus Ägypten, beginnt das Volk der zwölf Stämme, eine Wohnung für Gott zu bauen (2. Mose 40). Gott selbst gibt die Bauanleitung für ein tragbares, auf- und abbaubares Zelt. Während die Völker um sie herum Tempel, Standbilder und große Heiligtümer haben, wohnt der heimatlose Gott JHWH im Zelt! Seine Heimat ist beweglich. „Die Herrlichkeit des HERRN erfüllte die Wohnung“ (2. Mose 40,34). Durch die großen Geschichten der Bibel zieht sich die Erzählung des heimatlosen Gottes, der den Menschen nachzieht (2. Samuel 7,11 ff., 1. Könige 8,12 ff.; Hesekiel 1). Er sehnt sich nach Heimat bei den Menschen.

Die wahre Heimat Gottes: In unserem Herzen

Wo aber wird die Sehnsucht des heimatlosen Gottes gestillt? Wo findet er sich aus? Wo ist das Wohnzimmer Gottes? Wir denken sofort an den Himmel: golden, prunkvoll, erhaben und weit weg. Doch kurz bevor Jesus ermordet wird, verspricht er seinen Gefährten: „Ich will euch nicht als Heimatlose zurücklassen. Ich komme wieder zurück“ (Johannes 14,18). Und dann die erstaunliche Aussage: „Ich und der Vater werden Wohnung nehmen in euch“ (Johannes 14,23 b). Die Wahrheit ist einfach, weise und tief: Gott hat unser Herz dafür gemacht, eine Wohnung zu sein. Unsere Herzen wurden dafür geschaffen, Gottes Heimat auf dieser Erde zu sein. Der heimatlose Gott findet in uns sein Zuhause (Apostelgeschichte 17,27-28). Und doch ist uns das oft nicht bewusst.

Der Apostel Paulus beschreibt es so: „Diese Botschaft war in der Vergangenheit über viele Jahrhunderte und viele Generationen hinweg wie ein Geheimnis verborgen; jetzt aber wurde es denen enthüllt, die zu ihm gehören. Und das ist das Geheimnis: Christus lebt in euch! Darin liegt eure Hoffnung: Ihr werdet an seiner Herrlichkeit teilhaben“ (Kolosser 1,26-27). Dieses Verständnis erfordert ein Umdenken. Wenn wir einfach nur „an Gott“ glauben, könnte er ja außerhalb von uns wohnen. Dann ist er ein „Gegenüber“, zu dem wir versuchen, irgendwie durchzudringen. Genau das haben Menschen Jahrtausende lang gemacht – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Der entscheidende Punkt ist, dass er in uns wohnt. Er ist uns nicht nur nahe, sondern er ist das Tiefste in uns. Er prägt und bestimmt unser Wesen. Er ist uns näher, als wir es uns selbst sind. Das verspricht Jesus (Johannes 20,21) und betet sogar dafür (Johannes 17,11).

Dort, in deinem Herzen, begegnest du dem heimatlosen Gott. Da hat er Heimat gefunden. Er sehnt sich danach, dass du in deinem Herzen genauso zu Hause bist wie er. Es ist der Ort, an dem du selbstverständlich Gemeinschaft mit Gott haben kannst, weil er dort wohnt. Mein Herz ist das Vaterland Gottes. Oft stelle ich mir ganz bildlich vor, dass ich mit Gott in meinem Herzen spazieren gehe, so wie Adam und Eva das im Garten des Anfangs taten. Es geht letztlich darum, einen Weg zu sich selbst zu finden, weil dort das Innerste zu Hause ist und Gott dort auf uns wartet. Darin liegt der tiefe Sinn dieser alten Worte: „Nicht mehr ich bin es, der lebt, nein, Christus lebt in mir“ (Galater 2,20).

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Was bedeutet es, innerlich heimatlos zu sein?

Innerliche Heimatlosigkeit beschreibt ein tiefes Gefühl der Entfremdung von sich selbst, von den eigenen Gefühlen, Werten und dem Lebenssinn. Es äußert sich oft als ständiges Getriebensein, Unruhe, das Gefühl, nicht am richtigen Platz zu sein oder etwas Entscheidendes zu verpassen. Es ist der Verlust des inneren Gleichgewichts und der Zugehörigkeit zum eigenen Wesen, unabhängig von äußeren Umständen.

Wie finde ich mein Herz als innere Heimat wieder?

Der Weg zurück zum Herzen beginnt mit der Erkenntnis und Annahme der inneren Unruhe. Es erfordert eine bewusste Suche nach dem, was uns wirklich prägt und ausmacht. Dies kann durch Selbstreflexion, Achtsamkeitsübungen, das Wiederentdecken eigener Werte und Leidenschaften geschehen. Für viele ist die spirituelle Dimension entscheidend: die Suche nach Gott im eigenen Inneren, da das Herz als Wohnort Gottes gesehen wird. Es geht darum, eine bewusste Beziehung zum eigenen tiefsten Wesen aufzubauen.

Ist Gott wirklich "heimatlos", wie im Artikel beschrieben?

Der Begriff "heimatlos" wird hier im übertragenen Sinne verwendet, um Gottes dynamische und suchende Beziehung zur Menschheit zu beschreiben. Gott ist nicht heimatlos im Sinne von verloren oder ohne Ort. Vielmehr zeigt die Bibel, dass er sich stets bewegt, mit seinem Volk wandert und sich danach sehnt, bei den Menschen zu wohnen. Seine "Heimat" ist nicht statisch, sondern dort, wo er Gemeinschaft mit den Menschen hat, insbesondere in ihren Herzen. Es betont seine Sehnsucht nach einer intimen Beziehung zu uns.

Welche Rolle spielt der Glaube an Christus beim Finden der inneren Heimat?

Der Glaube an Christus spielt eine zentrale Rolle, da er laut Paulus (Kolosser 1,26-27) in uns lebt. Dies verändert die Perspektive von einem Gott, der "dort draußen" ist und zu dem man gelangen muss, zu einem Gott, der bereits in unserem tiefsten Inneren wohnt. Wenn Christus in uns lebt, dann finden wir nicht nur eine äußere Verbindung zu Gott, sondern entdecken ihn als den Kern unseres eigenen Wesens. Diese innere Gegenwart Gottes wird zur Quelle unserer wahren Heimat und des Friedens, der unser Getriebensein stillen kann. Es ist ein Weg zu sich selbst durch die Entdeckung Gottes in sich.

Was kann ich tun, wenn ich das Gefühl habe, mich selbst verloren zu haben?

Nehmen Sie dieses Gefühl ernst und sehen Sie es als Ausgangspunkt für eine wichtige Reise. Suchen Sie das Gespräch mit vertrauten Personen, einem Seelsorger oder Therapeuten. Nehmen Sie sich Zeit für Stille und Reflexion, um zu spüren, was in Ihnen vorgeht. Versuchen Sie, Ihre eigenen Werte und Leidenschaften neu zu entdecken. Erforschen Sie Ihre spirituelle Seite, sei es durch Gebet, Meditation oder das Studium inspirierender Texte. Der Kern ist, sich bewusst auf die Suche nach Ihrem inneren Zuhause zu begeben und zu erkennen, dass die Antwort oft in Ihnen selbst und in Ihrer Beziehung zu einem größeren Ganzen liegt.

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