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Ora et Labora: Einblick ins Klosterleben

28/10/2025

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Das Klosterleben fasziniert seit Jahrhunderten Menschen innerhalb und außerhalb seiner Mauern. Es ist eine Welt, die oft mystisch und entrückt erscheint, doch im Kern von einem tiefen, menschlichen Streben nach Gott und Gemeinschaft geprägt ist. Im Herzen dieser Lebensweise schlägt der althergebrachte Rhythmus von „Ora et Labora“ – bete und arbeite. Dieser Grundsatz, der auf den heiligen Benedikt zurückgeht, prägt den gesamten Tagesablauf und formt die Spiritualität der Mönche und Nonnen. Doch wie genau sieht ein solcher Tag aus? Welche „kleinen“ Opfer verbergen sich hinter der scheinbaren Stille, und welche tiefe Bedeutung tragen die täglichen Gebete und Rituale?

Inhaltsverzeichnis

Der Rhythmus des klösterlichen Lebens: Ora et Labora

Der Tag im Kloster ist ein sorgfältig strukturiertes Gefüge aus Gebet, Arbeit, Studium und Gemeinschaft. Es ist ein bewusst gewähltes Leben, das darauf abzielt, Gott in den Mittelpunkt zu stellen und dem Egoismus entgegenzuwirken. Die klösterliche Lebensform ist eine symphonische Einheit, in der alle Elemente – vom gemeinsamen Chorgebet über die körperliche Arbeit bis hin zur persönlichen Lesung und Erholung – ineinandergreifen. Sie dient dazu, die Mönche und Nonnen für die Liebe zu Gott und zum Nächsten freizumachen und ein Lobpreis an den Schöpfer zu sein.

Was sind die „kleinen“ Opfer des Klosterlebens?
Danach haben wir Freizeit und können z. B. eine kleine Siesta halten. Meist beginnt dann aber irgendwer mit dem Rasenmähen, sodass man Mühe hat, Ruhe zu finden. Das sind die „kleinen“ Opfer des Klosterlebens! An Sonn- und Feiertagen gibt es freilich eine sogenannte „Rekreation“, das ist ein Zusammensein mit Kaffee und Kuchen.

Die wichtigste Gebetsform ist das gemeinsame Chorgebet, auch „Officium divinum“ oder „göttlicher Dienst“ genannt, da es die Hauptaufgabe der Ordensleute darstellt. Dieses „Gotteslob“ ist nicht nur eine Kultur der Seele, sondern ein wahrhaft heiliger Dienst. Es ist die Quelle der Kraft und die Mitte des Tages, aus der die Gemeinschaft lebt und schöpft.

Ein Tag im Leben eines Mönchs (Heiligenkreuz)

In Klöstern wie Heiligenkreuz beginnt der Tag oft schon vor Sonnenaufgang, um dem alten Spruch „Morgenstund hat Gott im Mund“ gerecht zu werden. Der Rhythmus ist präzise getaktet und folgt festen Zeiten, die über Jahrhunderte gewachsen sind.

UhrzeitTätigkeitBesonderheit
vor 5:00 UhrAufstehenBeginn der Tagwache
5:15 UhrVigilien (Tagwache)Erstes Chorgebet des Tages, Beginn mit „Domine, labia mea aperies…“
6:00 UhrLaudes (Morgenlob)Feierliches Morgenlob der Kirche
ca. 6:25 UhrKonventmesseGemeinsam gefeierte Heilige Messe (an Sonn- und Feiertagen erst 9:30 Uhr)
danachDanksagung, Frühstück, ErledigungenFreie Zeit vor der Arbeit
8:00 - 12:00 UhrArbeitVerschiedene Aufgaben im Kloster oder Vorlesungen für Studenten
12:00 UhrTerz und SextNächstes Chorgebet in der Kirche
danachMittagessen im RefektoriumGemeinsame Mahlzeit, zwei Mitbrüder sind für den Tischdienst eingeteilt
nach dem EssenMiserereprozession und NonIn Prozession zurück zur Kirche, Totengedenken und Gebet der Non
danachFreizeit / SiestaPersönliche Erholung oder Erledigungen
14:00 - 18:00 UhrArbeitFortsetzung der klösterlichen oder studienbezogenen Aufgaben
18:00 UhrGesungene Lateinische VesperAbendliches Lobgebet der Kirche, immer gesungen
danachAbendessen im RefektoriumGemeinsame Mahlzeit
danachFreizeit / RekreationMöglichkeit zum Beisammensein und Austausch
19:50 UhrLesung aus der OrdensregelGemeinsames Hören eines Abschnitts aus der Regel des heiligen Benedikt
danachKomplet und Salve ReginaKürzestes Gebet, schließt den Tag ab; feierlicher Abendgruß an die Muttergottes
nach der KompletSilentium NocturnumNächtliches Stillschweigen im gesamten Kloster
optionalRosenkranzgebetVor dem Allerheiligsten in der Kreuzkirche

Ein Tag im Leben einer Nonne (Marienrode)

Auch im Nonnenkloster Marienrode, das aus zehn Schwestern im Jahr 1988 auf 14 Schwestern angewachsen ist und jährlich rund 2000 Gäste empfängt, ist der Tag klar strukturiert, bietet aber in manchen Bereichen mehr individuelle Freiheit.

UhrzeitTätigkeitBesonderheit
ca. 5:00 UhrIndividuelles AufstehenJede Schwester entscheidet nach eigenem Rhythmus
5:30 UhrErstes gemeinsames GebetVersammlung in der Kirche
6:00 - 7:45 UhrFreie ZeitIndividuelles Frühstück (normalerweise schweigend) und persönliche Gestaltung
nach der MesseKurze Besprechung und ArbeitAustausch von Informationen, Beginn der Arbeit (z.B. Gästebereich)
12:00 UhrMittagsgebetGemeinsames Gebet
danachGemeinsames MittagessenNormalerweise schweigend, mit Vorlesung (Bibel, Radio-Nachrichten, Presseschau)
nach dem EssenErledigungen (z.B. Abwasch)Haushaltstätigkeiten
danachMittagspauseIndividuelle Gestaltung: Siesta, Spaziergang, Lesen
ca. 14:30 UhrArbeitFortsetzung der täglichen Aufgaben bis zur nächsten Gebetszeit
ca. 17:30 UhrVesperAbendlob
danachAbendessenGemeinsame Mahlzeit
danachKurzes Zusammentreffen (optional)Besprechung anstehender Dinge oder Austausch über den Tag
spätestens 20:30 UhrAbend- und NachtgebetAbschluss des Tages
danach„Großes Stillschweigen“Beginn der Nachtruhe und individueller Zeit
ca. 22:00 - 22:30 UhrBettruhe

Die „kleinen“ Opfer des Klosterlebens

Das Klosterleben ist nicht nur von erhabener Spiritualität, sondern auch von sehr menschlichen Aspekten geprägt. Neben den großen Gelübden der Armut, Keuschheit und des Gehorsams gibt es die „kleinen“ Opfer, die den Alltag formen und oft übersehen werden. Diese sind keine dramatischen Entbehrungen, sondern eher Einschränkungen im persönlichen Komfort oder in der individuellen Freiheit. Ein Beispiel dafür, das im Text genannt wird, ist der Wunsch nach Ruhe während der Freizeit am Mittag, der manchmal durch Geräusche wie Rasenmähen gestört wird. Solche Momente, in denen die Sehnsucht nach Stille oder ungestörter Erholung nicht erfüllt werden kann, sind Teil der täglichen Hingabe. Es geht darum, persönliche Vorlieben zugunsten des Gemeinschaftslebens oder der klösterlichen Pflichten zurückzustellen. Diese „kleinen“ Opfer tragen dazu bei, den Egoismus zu überwinden und die Seele für die höhere Berufung zu formen.

Die Bedeutung der Gebetszeiten

Jede Gebetszeit im Kloster hat ihre eigene tiefe Bedeutung und ist fest im liturgischen Kalender verankert. Sie sind Ankerpunkte, die den Tag strukturieren und die Seele immer wieder auf Gott ausrichten.

Was bedeutet das Gebet in der Terz?
In der Terz, ursprünglich das Gebet zur 3. Stunde, bitten wir um die Gaben des Heiligen Geistes. Sie bereitet uns auf die Eucharistiefeier vor, den Mittelpunkt unseres klösterlichen Tages. Gott beschenkt uns mit seiner Gegenwart in seinem Wort und im Sakrament. Und daraus leben wir.
  • Vigilien (Matutin): Dies ist das früheste Gebet, oft noch in der Dunkelheit der Nacht. Es beginnt mit der Bitte: „Herr, öffne meine Lippen, und mein Mund wird Dein Lob verkünden!“ Es ist die Tagwache, die Zeit, in der die Mönche und Nonnen Gott loben, während die Welt noch schläft, und sich auf den anbrechenden Tag einstimmen. Psalmen und Lesungen werden hier oft in deutscher Sprache gebetet und gehört.
  • Laudes: Direkt an die Vigilien anschließend, ist dies das feierliche Morgenlob der Kirche. Ihr Höhepunkt ist das Benediktus, der Lobgesang des Zacharias, der die Ankunft des Erlösers und die Führung auf den Weg des Friedens preist.
  • Terz: Ursprünglich das Gebet zur dritten Stunde des Tages (ca. 9 Uhr), dient die Terz der Bitte um die Gaben des Heiligen Geistes. Sie ist eine wichtige Vorbereitung auf die Eucharistiefeier, den Mittelpunkt des klösterlichen Tages, in der die Gegenwart Gottes im Wort und im Sakrament gefeiert wird.
  • Sext und Non: Diese Gebetszeiten um die Mittagszeit (Sext zur sechsten Stunde, Non zur neunten Stunde) erinnern an den Kreuzestod Jesu. Sie sind eine bewusste Rückkehr aus der Arbeit in die Stille, um das Heilswirken Gottes in Erinnerung zu rufen und sich dessen zu vergewissern.
  • Vesper: Das feierliche Abendlob der Kirche findet am späten Nachmittag oder Abend statt. Es endet mit dem Magnifikat, dem Lobgesang Mariens, der von der Kirche als ihr eigener Lobgesang übernommen wurde. Die Vesper ist oft gesungen und besonders feierlich gestaltet.
  • Komplet: Die Komplet ist das kürzeste Gebet des Tages und schließt ihn ab, wie ihr Name (vom lateinischen completorium, „Vollendung“) schon sagt. Sie endet mit einem feierlichen Abendgruß an die Gottesmutter, das „Salve Regina“, oft bei gedämpftem Licht, was die brennenden Herzen der Betenden symbolisiert.

Latein und Gregorianischer Choral: Eine lebendige Tradition

Für viele Gäste ist es auffällig, dass in Klöstern wie Heiligenkreuz das Chorgebet und die Heilige Messe in lateinischer Sprache gefeiert werden und der Gregorianische Choral verwendet wird. Dies ist jedoch keine „Ideologie“ oder ein bloßes Festhalten an der Vergangenheit, sondern eine bewusste Entscheidung, die im Einklang mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil steht. Dieses Konzil wünschte den Erhalt des Lateins, während es gleichzeitig die Landessprache zuließ.

Als Mönche und Nonnen, die in einer jahrhundertealten, bewährten Tradition des Gebetes stehen, ist das Latein ein geliebtes Geschenk. Es ist eine uralte Meditationsform, die eine tiefe, zeitlose Verbindung zu den Generationen von Betenden vor ihnen schafft. Der Gregorianische Choral, mit seiner meditativen und erhabenen Melodik, unterstützt diese tiefe spirituelle Erfahrung. Jeden Tag werden die Heilige Messe, die Vesper und die Komplet in feierlicher Weise gesungen, während andere Teile des Offiziums je nach liturgischem Rang eines Festes entweder gesungen oder auf einem gleichbleibenden Ton rezitiert werden. Diese Praxis trägt zur Schönheit und Würde des Gottesdienstes bei und ermöglicht eine tiefe Versenkung ins Gebet, die über sprachliche Barrieren hinausgeht.

Persönliches Gebet und Lectio Divina

Neben dem gemeinsamen Chorgebet ist das persönliche und stille Gebet für jeden Mönch und jede Nonne von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört insbesondere die „Geistliche Lesung“, bekannt als Lectio Divina. Dieser Begriff, wörtlich „göttliche Lesung“, bezeichnet eine Form des meditativen Lesens der Heiligen Schrift oder anderer spiritueller Texte. Es ist eine Zeit, die jeder Ordensangehörige individuell wählt und die seiner Seele die nötige Nahrung und Stärkung gibt. Durch die Lectio Divina wird das Wort Gottes nicht nur intellektuell erfasst, sondern im Herzen aufgenommen, um das eigene Leben zu formen und die Beziehung zu Gott zu vertiefen. Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der geistlichen Praxis, die das gemeinsame Gebet ergänzt und die persönliche Gottesbeziehung vertieft.

Silentium Nocturnum: Die Stille der Nacht

Ein besonders prägendes Element des klösterlichen Lebens ist das „Silentium Nocturnum“, das nächtliche Stillschweigen. Es beginnt nach der Komplet und dem Salve Regina und dauert bis zu den Vigilien am nächsten Morgen. Die Benediktsregel betont dieses Schweigen sehr stark. Es ist eine Zeit, in der die äußeren Geräusche verstummen und die innere Stille gefördert wird. Diese Phase der Ruhe ermöglicht es, den Tag zu reflektieren, sich auf die Nachtruhe einzulassen und sich bewusst auf den kommenden Tag vorzubereiten. Es ist eine Zeit der Besinnung und der ungestörten Kommunikation mit Gott, die die Seele auf das Gebet des nächsten Morgens vorbereitet, das mit den Worten „Domine, labia mea aperies, et os meum annuntiabit laudem tuam!“ wieder beginnt.

Klosterleben: Mehr als nur ein Rhythmus

Das Klosterleben ist weit mehr als nur ein starrer Tagesablauf oder eine Aneinanderreihung von Gebetszeiten. Es ist eine bewusste Lebensform, die dazu dient, den Menschen zu formen und ihn für die Liebe zu Gott und zum Nächsten frei zu machen. Der Rhythmus steht im Dienst dieses höheren Ziels. Die Ordensleute wählen dieses Leben nicht um des Rhythmus willen, sondern weil sie spüren, dass es ihnen den Rahmen für eine tiefgreifende spirituelle Reise bietet. Es ermöglicht ihnen, ein Leben zu führen, in dem Gott den größten Raum einnehmen kann, und dient als ständiger Lobpreis an ihren Schöpfer und Erlöser. Es ist eine Berufung, stellvertretend für alle Menschen zu beten und zu wirken, getreu dem Motto: „Patent portae – magis cor!“ – Unsere Türen stehen offen – noch mehr unser Herz!

Häufig gestellte Fragen zum Klosterleben

Was sind die „kleinen“ Opfer des Klosterlebens?

Die „kleinen“ Opfer des Klosterlebens sind alltägliche Einschränkungen des persönlichen Komforts oder individueller Freiheiten. Dazu gehören beispielsweise der Verzicht auf ungestörte Ruhezeiten, wenn Gemeinschaftsaufgaben oder unvorhergesehene Geräusche (wie Rasenmähen) stören, oder das Zurückstellen persönlicher Vorlieben zugunsten des Gemeinschaftslebens und der klösterlichen Ordnung. Sie dienen dazu, den Egoismus zu überwinden und die persönliche Hingabe zu vertiefen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Abt und einem Kloster?
Die Mitglieder eines Klosters leben in einer stark hierarchisch gegliederten Gemeinschaft. Der Abt ist das Oberhaupt der Abtei und wird in freier Wahl von allen Ordensbrüdern gewählt. (Im frühen Mittelalter wurde er allerdings auch häufig durch den König bestimmt.)

Was ist der Rhythmus des klösterlichen Lebens?

Der zentrale Rhythmus des klösterlichen Lebens ist „Ora et Labora“ – bete und arbeite. Dieser Rhythmus strukturiert den gesamten Tag in festgelegte Zeiten für gemeinsames Chorgebet (Officium divinum), körperliche Arbeit, Studium, persönliche geistliche Lesung (Lectio Divina), Gemeinschaftsleben und Erholung. Er ist darauf ausgelegt, eine symphonische Lebensform zu schaffen, die auf die Liebe zu Gott und zum Nächsten ausgerichtet ist.

Was bedeutet das Gebet in der Terz?

Die Terz ist das Gebet, das ursprünglich zur dritten Stunde des Tages (ca. 9 Uhr morgens) gebetet wurde. Ihre zentrale Bedeutung liegt in der Bitte um die Gaben des Heiligen Geistes. Sie dient auch als Vorbereitung auf die Eucharistiefeier, die als Mittelpunkt des klösterlichen Tages gilt und in der die Mönche und Nonnen durch Gottes Wort und Sakrament gestärkt werden.

Warum wird im Kloster Latein gesprochen/gesungen?

In vielen Klöstern wird Latein gesprochen und der Gregorianische Choral gesungen, nicht aus Ideologie, sondern aus einer tiefen Wertschätzung der Tradition und als bewährtes Mittel der Meditation. Dies entspricht auch dem Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils, das Latein zu erhalten. Es ist ein geliebtes Geschenk aus einer uralten Meditationsform, das eine zeitlose Verbindung zu den Wurzeln des Gebets schafft und die Seele auf einzigartige Weise anspricht.

Was ist „Silentium Nocturnum“?

„Silentium Nocturnum“ ist das nächtliche Stillschweigen, das nach dem letzten Gebet des Tages, der Komplet, im gesamten Kloster herrscht. Es wird von der Benediktsregel stark betont und dauert bis zu den Vigilien am nächsten Morgen. Es ist eine Zeit der tiefen Ruhe und Besinnung, die der Erholung dient und die Möglichkeit für ungestörte innere Einkehr und Kommunikation mit Gott bietet.

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